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  • AutorenbildTina Hauswald

EU Gesetzgebung – ein Ping-Pong-Spiel

Aktualisiert: 23. Dez. 2020

Im Dezember 2018 half ich sehr spontan bei einem Projekt mit, welches Jugendlichen den Prozess der europäischen Gesetzgebung spielerisch erklären soll. Auf der Hinfahrt bemerkte ich dann, dass ich selbst gar keine Ahnung hatte, wie das überhaupt funktioniert. Wie zur Hölle sollte ich das in 20 Minuten anderen Personen in meinem Alter beibringen? Du kannst Dir bestimmt vorstellen, dass ich dann etwas in Panik verfiel. Aber glücklicherweise ist der Prozess gar nicht kompliziert – eigentlich so leicht wie ein Ping-Pong-Spiel – und ich konnte ihn bis zur Ankunft mehr oder weniger überblicken. Da fragte ich mich: „Warum weiß eigentlich nicht jeder EU-Bürger, wie die Gesetzgebung der Europäischen Union funktioniert?“ Dass sich diese Wissenslücke etwas minimiert, und Du Dich niemals in eine derartige Situation reinmanövrieren kannst, erkläre ich Dir im Folgenden, wie die EU Ping Pong spielt. Also, lasst die Spiele beginnen!

Die Spieler

Welche Organe sind beteiligt?

Wichtige Organe der EU und unseres heutigen Matches:

  • Die Europäische Kommission

  • Das Europäische Parlament

  • Der Rat der Europäischen Union

Player 1 – die Kommission

Die Mitglieder der Kommission (= EU-Kommissare) wechseln alle sechs Jahre. Die Regierung jedes EU-Staates nominiert mehrere Kandidaten, danach stimmt das Europäische Parlament ab und wählt so 27 Kommissare; je einen pro Mitgliedsstaat.

Player 2 – das Parlament

Wenn Du bei der Europawahl eine Partei und damit deren Abgeordnete wählst, bestimmst Du direkt, wer in der nächsten Wahlperiode im Parlament sitzt. Gehe also wählen und lasse die Macht mit Dir sein.

Player 3 – der Rat

Der Rat der Europäischen Union besteht aus den Ministern aller Mitgliedstaaten und wird daher auch Ministerrat genannt. Achtung: Verwechslungsgefahr! Beim Europäischen Rat handelt es sich um ein weiteres Organ der EU, jedoch nicht dasselbe wie der Ministerrat; er hat auch nichts mit der Gesetzgebung am Hut und ist für unser Match also irrelevant.

Jetzt kennen wir zwar die Spieler, aber bevor wir zum Anpfiff kommen, werfen wir noch einen kurzen Blick auf den Ball.

Der Ball

Was für Arten von Gesetzen gibt es?

Die EU Organe, unsere heutigen Spieler, können jederzeit unverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen aussprechen. Ob sich die Mitgliedstaaten daran halten, bleibt aber eine nationale Entscheidung. Aber heute soll es ja um die EU-Gesetze gehen. Die unterteilt man in zwei Kategorien: Die Richtlinien, welche die nationalen Regierungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums in die jeweiligen Gesetze einbetten müssen und die Verordnungen, welche direkt in allen Mitgliedsstaaten gelten.

Der Anpfiff

Wem obliegt das Initiativrecht?

Den Auftakt macht immer die Kommission. Sie bringt den Ball ins Spiel, indem sie dem Parlament einen Gesetzesentwurf zuspielt. Wenn die Kommission ihren Einsatz verschläft, können die anderen beiden Mitspieler sie darauf hinweisen und zu einem Gesetzvorschlag auffordern.

Das Ping-Pong-Spiel

Wie geht der Prozess weiter?

Nachdem das Parlament den Entwurf von der Kommission empfängt, findet dort eine Lesung statt, bei der die Abgeordneten darüber und über eventuelle Änderungsvorschläge abstimmen. Diese Ergebnisse spielt das Parlament nun dem Rat zu – das Ping-Pong-Spielen beginnt. Kommt der Ball dort an, verfahren die Minister genauso wie die Abgeordneten im Parlament. Bei einer Zustimmung ist das Turnier schon an der Stelle beendet. Oft hat aber auch der Ministerrat noch Änderungswünsche und passt diese wieder dem Parlament zu. Das geht dann so oft hin und her bis beide Organe einem Entwurf zustimmen – das Match gilt dann offiziell als beendet und erfolgreich.

Das Unentschieden

Was passiert, wenn sich Rat und Parlament nicht einigen können?

Die größte Frage bei einem Unentschieden bleibt wohl, ob Beide gewonnen oder verloren haben. Wenn es beim europäischen Gesetzgebungsprozess nach zwei Runden zu einem Unentschieden, also nach je zwei Lesungen zu keiner Einigung zwischen Ministerrat und Parlament, kommt, geht es in die Nachspielzeit. Der sogenannte Vermittlungsausschuss, indem beide Seiten gleich vertreten sind, wird einberufen. Dieser bekommt sechs Wochen Zeit einen Kompromiss zu erarbeiten, über den beide Organe in einer dritten Lesung abstimmen. Akzeptieren ihn beide, so krönen wir zwei Sieger und ein neues Gesetz. Stößt auch dieser Entwurf auf Ablehnung, bleibt es bei einem Unentschieden mit zwei Verlierern – und ohne Gesetz.

Soweit so gut, aber bei jeder Sportart, auch beim Ping Pong, gibt es einen Schiri. Dann muss es sowas ja bei einer multinationalen Entscheidung auch geben.

Der Schiri

Wer kontrolliert den Prozess?

Wie in jedem rechtsstaatlichen System gibt es natürlich auch bei der EU-Gesetzgebung eine Kontrollfunktion: die nationalen Parlamente. Diese informiert die Kommission gleich beim ersten Aufschlag des Spiels, gleichzeitig wie das Europäischen Parlament, über den Vorschlag. Wenn ihn mindestens ein Drittel der EU-Mitgliedstaaten (9 Länder) ablehnen, muss er überprüft werden, und es kommt zu einer Wiederholung – das Ping-Pong-Spiel geht von vorne los.

Jedes Turnier muss einmal ein Ende finden, bei diesem europäischen Verfahren folgt das im Durchschnitt nach circa 19 Monaten Spielzeit. Unser heutiges Aufklärungsturnier ist aber jetzt schon vorbei. Hoffentlich konnte ich Dir das Ping-Pong der EU-Gesetzgebung etwas näher bringen.

Bis zu unserem nächsten Matchday verbleibe ich wie immer mit solidarischen Grüßen.

Tina


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