Tina Hauswald
Cannabis - (Il)legalize it?
Aktualisiert: 17. Apr. 2021
Hey Du,
ich habe mich lange nicht zu Wort gemeldet – umso schöner, dass Du meinen Blog trotzdem weiterhin verfolgst. Das Thema des heutigen Beitrags haben meine Instagram-Follower mitbestimmen dürfen und sich für *Trommelwirbel* Drogenpolitik entschieden.
Also, let’s go!
Danke übrigens an Fynn Kaiser für den Themenvorschlag! Du hast auch ein Thema, das dir auf der Seele brennt? Dann kommentiere es gerne unter diesem Beitrag oder schreibe mir deinen Vorschlag auf Instagram.
"We should not send anyone to jail for a pure drug offense. They should be going into treatment.” – Joe Biden
("Niemand sollte wegen einem reinen Drogendelikt ins Gefängnis, sondern in Behandlung gehen." – Joe Biden)
Mit diesen klaren Worten beeindruckte mich der mittlerweile gewählte US-Präsident Biden in der finalen Debatte des Wahlkampfes. Diese sehr progressive Einstellung zur Zukunft der Drogenpolitik hatte ich nicht erwartet, denn Demokrat hin oder her, er bleibt ein eher konservativer Politiker (in unserem deutschen Parteiensystem würden wir ihn wahrscheinlich in den Reihen der CDU wiederfinden). Außerdem ist ein solches Statement hierzulande undenkbar. Seine Aussage kritisiert nämlich die aktuelle, auch in Deutschland herrschende Prohibition – ein Verbot von Drogen – und spielt mindestens auf eine Entkriminalisierung von (allen) Drogen an; schließt aber auch eine Legalisierung nicht aus. Was diese beiden Alternativen unterscheidet, ob sie zielführender als unser aktuelles Vorgehen sind, und wie sich die Drogenpolitik Deutschlands in den nächsten Jahren realistisch gesehen entwickelt, erfährst Du jetzt.
Der aktuelle Stand: Cannabis – eine dritte Volksdroge?
Entkriminalisierung: Nicht legal, aber egal
Legalisierung: Aus Überzeugung und in voller Konsequenz
Die Zukunft der Drogenpolitik in Deutschland: Wie lange kann sich das Verbot noch halten?
Fazit: Pro und Contra „Aufgeben der Prohibition“
Der aktuelle Stand Cannabis – eine dritte Volksdroge?
Das Scheitern der Prävention im Rahmen einer Prohibition
Während die Prävention bei legalen Drogen (Rauchen – inklusive E-Zigaretten, Shisha & C.o. sowie auch Alkohol) in Deutschland ziemlich gut funktioniert und damit seit Jahren einen deutlichen Rückgang dieses Drogenkonsums verzeichnen kann, so scheitert die Vorbeugung umso kläglicher bei illegalen Drogen – besonders bei Cannabis. Etwa jeder zehnte Jugendliche und die Hälfte aller jungen Erwachsenen haben Cannabis zumindest einmal probiert.
Aus diesem Grund und da auch im Bundestag nur eine Debatte über die Legalisierung von Cannabis im Raum steht, werde ich mich in diesem Artikel nur über die Zukunft der Drogenpolitik in Bezug auf Cannabis konzentrieren.
Beim Lesen dieser Zahlen stellten sich mir schon die ersten Fragen: Gelingt eine Vorsorge von Drogen nur, wenn sie legal sind? Und heißt das, es wäre zielführender, Drogen zu legalisieren? Welche Möglichkeiten von progressiverer Drogenpolitik gibt es denn und wie gut funktionieren sie tatsächlich? Ich begann zu recherchieren…
Ich stieß auf eine Pressekonferenz vom 01.07.2020 zu genau dieser Studie, in der die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig (CSU) Stellung zu den Ergebnissen bezieht. Ihre Antworten lassen mich aber auch nur so halb befriedigt zurück:
Ja, es sei schwerer, Aufklärung bei illegalen Drogen zu betreiben; sie zieht aber den Schluss, dass man deshalb mehr von einem Tabu-Status weg müsse, aber nicht von einem Verbot. Ob das eine in sich schlüssige Strategie ist? Ich bin mir nicht sicher. „Ich will keine dritte Volksdroge“, so argumentiert sie weiter gegen eine Legalisierung. Ihren Worten lauschend frage ich mich: „Haben wir die nicht schon längst?“
Zum Ende der Pressekonferenz wiederholt sie noch einmal, dass eine Legalisierung für sie nicht in Frage komme, aber nach hartem Nachbohren des Journalisten Tilo Jung gesteht sie, eine Sympathie für das portugiesische Modell der Entkriminalisierung zu haben.
Du merkst schon, es wird spätestens jetzt höchste Zeit, uns mit der Entkriminalisierung auseinanderzusetzten; sie scheint schließlich eine mögliche Alternative für Deutschlands Drogenpolitik zu sein.
FYI: In diesem Abschnitt beziehe ich mich auf die Drogenaffinitätsstudie aus dem Jahr 2019 und damit auf die neusten Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Diese bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Altersgruppe zwischen 12 und 25 Jahren.
PS: Hier findest du die Ergebnisse der Drogenaffinitätsstudie 2019:
Entkriminalisierung Nicht legal, aber egal
Das Modell der Entkriminalisierung sieht ganz allgemein vor, die Strafbarkeit zu reduzieren. Das bedeutet dann ganz konkret, dass der Besitz von Cannabis z.B. nicht mehr eine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit ist – also Geldstrafe statt Freiheitsstrafe – oder dass man bis zu bestimmten Mengen Cannabis besitzen darf, ohne eine strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Bei einer vollständigen Entkriminalisierung würden zusätzlich der Handel, Erwerb und Anbau in bestimmten Mengen nicht mehr strafbar sein. Die Entkriminalisierung soll vor allem zu einer Entlastung von Justiz und Polizei führen.
Nun gut, aber was passiert denn jetzt genau in Portugal?
Drogenkonsum wird in Portugal nicht mehr als Straftat angesehen, sondern als „geringfügige Gesetzesübertretung“. Das bedeutet, dass man Geldbußen verhängen kann, diese aber nicht automatisch oder verbindlich eingesetzt werden. Wenn man dort also mit geringen Mengen (durchschnittlicher Verbrauch für zehn Tage) einer Droge „erwischt“ wird, bekommt man einen Termin bei einem Ausschuss. Dieser besteht aus einem Arzt/ einer Ärzt*in, einem Anwalt/einer Anwält*in und einem/einer Sozialarbeiter*in und entscheidet ganz individuell, ob der Drogenkonsum problematisch ist und dementsprechend bestraft werden soll oder nicht, klärt über die Risiken des Konsums auf und verweist ggf. auf Therapieplätze o.Ä.
Wie Du unschwer erkennen kannst, besteht das Ziel dieser Vorgehensweise darin, Bürger*innen nicht zu kriminalisieren, sie jedoch trotzdem vor Sucht zu schützen. Ich denke, dass genau dieser Gedanke Grund für den Anklang bei unserer Drogenbeauftragten ist.
Übrigens: Bei überdurchschnittlichen Mengen (Cannabis: >25g) wird von einem Handel ausgegangen, der auch in Portugal weiterhin komplett illegal ist und somit strafrechtlich verfolgt wird.
Okay, Entkriminalisierung ist abgehakt. Aber es gibt doch auch Länder, in denen Cannabis legalisiert wurde. Was genau ist da denn nun anders bzw. legaler?
Legalisierung Aus Überzeugung und in voller Konsequenz
Legalisierung heißt, dass Handel, Verkauf, Besitz sowie Anbau von (einer) Droge(n) aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Es gibt hiervon jedoch zwei Varianten: Entweder stellt der Staat das neue Drogenmonopol dar, quasi unser aller alleiniger Dealer und alles andere ist verboten oder aber jede*r darf Cannabis besitzen, herstellen, handeln und verkaufen.
Oft meint man mit Legalisierung auch eine Regulierung/Lizensierung oder Liberalisierung:
Regulierung bzw. Lizensierung ist die Methode, die bei Tabak und Alkohol angewandt wird: Der Verkauf erfolgt nur von staatlich lizensierten Stellen und mit geschultem Personal.
Liberalisierung ist der Überbegriff für alle Arten der progressiven Drogenpolitik – also der, die sich von einer Prohibition abwendet – wie zum Beispiel Entkriminalisierung, Lizensierung oder Legalisierung.
Die Zukunft der Drogenpolitik in Deutschland Wie lange kann sich das Verbot noch halten?
Theorie schön und gut, aber wie sieht das in der Praxis aus? Und die viel größere Frage: Wie sieht die zukünftige Drogenpolitik in Deutschland aus?
Schon zwei Mal versuchten Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag mit einem Gesetzesentwurf die Prohibition loszuwerden und scheiterten. Auch dieses Jahr im September legten sie im Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung von Cannabis – das Cannabiskontrollgesetz – vor; ganz nach dem Motto alle guten Dinge sind drei. Aber auch dieses Jahr wurde der Entwurf mehrheitlich mit Stimmen der AfD, CDU und SPD abgelehnt; die FDP enthielt sich. Nur bei die Linke trafen die Grünen auf Zuspruch. Warum versucht es die Partei denn überhaupt erneut?
Das hat mehrere Gründe:
Zum einen regt sie mit dem Vorschlag jedes Mal eine öffentliche Debatte an. Diese ist wichtig für die Meinungsbildung vieler Bürger*innen und kann der Partei zusätzlich weiteren Zuspruch verschaffen.
Des Weiteren hatte man sich im Bundestag mehr Zuspruch erhofft:
Die neue Parteispitze der SPD brachte Bewegung in die eigene Partei und im Februar einigte man sich dort nun auf eine positive Haltung gegenüber einer kontrollierten Abgabe.
Die FDP hatte bereits einen Antrag im Bundestag eingebracht, der sich für eine Cannabis-Lizensierung einsetzt und von Deutschland als Cannabis-Exportnation träumt – zumindest wenn es um medizinisches Cannabis‘ geht.
Mit Grüne, Linke, SPD und FDP gibt es also eigentlich eine Mehrheit im Bundestag – warum scheiterte das Gesetz dann?
Das liegt vor allem daran, dass die FDP das Gesetz vermutlich anders formuliert hätte und sich die SPD in den Details der Umsetzung noch nicht sicher ist. Sie möchte vorerst auf Kommunal- und Landesebene Modellprojekte testen – das aber auch nicht in der großen Koalition; hier möchte man dem Koalitionspartner treu bleiben und gemeinsam mit der CDU/CSU eine Entscheidung (gegen das Cannabiskontrollgesetz) fällen.
So viel zur aktuellen Lage, was hat das denn jetzt mit der Zukunft zu tun?
Diese prinzipielle Mehrheit bedeutet auch, dass ggf. nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 das Gesetz durchkommen könnte – vor allem, wenn die Grünen die stärkste Macht würden.
Das Ende der Prohibition und der Beginn einer neuen Drogenpolitik sind also vielleicht gar nicht so weit entfernt, wie manch eine*r denkt; vor allem wenn sogar eine Drogenbeauftragte aus der CSU schon mit einer Entkriminalisierung sympathisiert – zumindest theoretisch und außerhalb von Abstimmungen.
Fazit Pro und Contra „Aufgeben der Prohibition“

Solidarische Grüße
Tina